William Franke (Philosoph)
Frankes philosophische Arbeit verschränkt sich mit seinem Schaffen als Theoretiker der vergleichenden Literaturwissenschaft. Sein interdisziplinärer Ansatz konzentriert sich auf Dantes Göttliche Komödie, gelesen als theologische Offenbarung in poetischer Sprache. Sein Buch Dante’s Interpretive Journey (1996) konstruiert eine Interpretation der Komödie im Dialog mit der deutschen hermeneutischen Theorie (Heidegger, Gadamer, Fuchs, Ebeling, Bultmann). Die Fortsetzung, Dante and the Sense of Transgression: The Trespass of the Sign (2012), ergänzt sie, indem sie die Komödie in einen Dialog mit dem zeitgenössischen französischen Denken der Differenz (Bataille, Blanchot, Barthes, Levinas, Derrida) bringt. Während sie sich der Instrumente der zeitgenössischen Literaturtheorie bedienen, um Dantes Dichtung zu lesen, nutzen diese Bücher auch Dantes mittelalterliche theologische Vision, um Kritik am modernen Denken zu üben, das seine Gründe in Quellen vergisst, die über die rationale Rechtfertigung hinausgehen und nur imaginiert werden können.
Frankes Werk der spekulativen Kritik, das von philosophischer Reflexion angetrieben wird, wird zu einer umfassenden Poetik der Offenbarung geformt, die mit Poetry and Apocalypse beginnt: Theological Disclosures of Poetic Language (2009). Dazu gehört eine Konstruktion der christlichen epischen Tradition, die von James Joyce bis zu Dantes wesentlichen Quellentexten in der Antike und im Mittelalter mit The Revelation of Imagination zurückreicht: From the Bible and Homer through Virgil and Augustine to Dante (2015). In die entgegengesetzte Richtung geht Secular Scriptures: Modern Theological Poetics in the Wake of Dante (2016) das Erbe von Dantes theologischer Vision bis in die moderne Ära der säkularisierten prophetischen Poesie und Poetik nach. Diese kritischen Interventionen sind gleichzeitig theoretische Anwendungen der Literatur, um sich mit einigen der wichtigsten intellektuellen Probleme unserer Zeit auseinanderzusetzen, angefangen beim Status des Wissens als Wissenschaft und als Offenbarung.
Franke hat weit über hundert Aufsätze und Artikel zu philosophischen und theologischen Interpretationen der Literatur veröffentlicht, die von den biblischen Propheten und klassischen Dichtern bis zu Shakespeare und Milton, Dickinson, Baudelaire, Edmond Jabès und Paul Celan reichen. Diese Aufsätze behandeln auch theoretische Themen wie dialektische und dekonstruktive Logik, figurative Rhetorik, Psychoanalyse als Hermeneutik der Subjektivität, postsäkulare kritische Vernunft und Kulturtheorie im Gefolge des Todes von Gott. Zu den eher literaturkritischen Beiträgen gehören Beiträge zur Kanondebatte, zur Weltliteratur, zur postkolonialen Ethik und zu postmodernen (Nicht-)Identitäten.