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Smartphones – das Gute, das Schlechte und die hässlichen Folgen der Nutzung

In den letzten fünf Jahrzehnten hat nichts unsere Lebensweise so sehr verändert wie das Internet. Diejenigen von uns, die über 40 Jahre alt sind, können sich noch daran erinnern, wie man kabelgebundene Telefone benutzt, wie man Briefe mit der Hand schreibt, wie man sich zurechtfindet, wie man in der Natur spielt, wie man mit Bargeld umgeht und viele weitere praktische Fähigkeiten aus der Zeit vor dem Aufkommen von internetfähigen mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets. Zugegeben, diese Geräte machen das Leben in vielerlei Hinsicht einfacher und sicherer. Ein Beispiel dafür ist die kürzlich eingeführte 112-Notfallanwendung (App), die Ihren geografischen Standort lokalisiert und Hilfe ruft, wenn Sie sich verirren oder verletzen. Als Elternteil können Sie mit einem Smartphone mehr als je zuvor in engem Kontakt mit Ihren Kindern bleiben – auch wenn diese nicht immer mit den Vorteilen einverstanden sind. Viele Innovatoren setzen auch große Hoffnungen darauf, dass Smartphones dazu beitragen werden, die Lebensgewohnheiten durch Apps zu verbessern, die zu körperlicher Aktivität und anderen gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen anregen. Bisher gibt es jedoch nur bescheidene Beweise dafür, dass Apps diese Verhaltensänderungen erreichen und aufrechterhalten können, und für Kinder gibt es noch weniger Forschungsergebnisse, die diese Aussicht stützen.1

Welche weiteren Folgen könnte diese rasante neue technologische Entwicklung für die Gesundheit und Entwicklung von Kindern haben? Interessanterweise häufen sich in der wissenschaftlichen Literatur die Hinweise auf negative gesundheitliche Auswirkungen von elektronischen Geräten, einschließlich des Fernsehens. Die übermäßige Nutzung sozialer Medien und des Fernsehens wurde in mehreren westlichen Ländern überzeugend mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht.2, 3 Eine kanadische Studie, an der 5000 11- bis 20-jährige Schüler teilnahmen, zeigte, dass eine stärkere Nutzung sozialer Medien in einer Dosis-Wirkungsbeziehung mit einer kürzeren Schlafdauer verbunden war.4 Die wachsende Zahl alarmierender wissenschaftlicher Berichte hat die European Academy of Paediatrics und die European Childhood Obesity Group dazu veranlasst, eine Konsenserklärung zu verfassen, die sich an Eltern und andere Interessengruppen richtet.5 Ihre wichtigsten Botschaften betreffen den negativen Einfluss von sozialen Medien und Fernsehen auf den Schlaf von Kindern und den Verzehr ungesunder Lebensmittel – beides sind ebenfalls starke Risikofaktoren für Fettleibigkeit. In Bezug auf Smartphones warnen sie vor einer übermäßigen Nutzung, da sich die Werbung negativ auf Kinder auswirkt, aber auch, weil der persönliche Kontakt zu Gleichaltrigen fehlt, was soziale Probleme verstärken und zu psychischen Erkrankungen führen kann.5 Sie empfehlen Eltern, Kindern unter 4 Jahren nicht zu erlauben, Fernsehen, Computer oder soziale Medien unbeaufsichtigt zu nutzen. Für Kinder über 4 Jahren empfehlen sie eine maximale Nutzungsdauer von 1,5 Stunden pro Tag. Noch unrealistischer ist die Empfehlung, dass Kinder ihr erstes Smartphone nicht vor dem Alter von 12 Jahren erhalten sollten.

Während es kaum Belege dafür gibt, dass sich bestimmte Apps in Smartphones oder Tablets positiv auf die körperliche Aktivität von Kindern auswirken, stellt sich die Frage, ob sie auch negative Auswirkungen haben. Internationale Vergleichsstudien haben gezeigt, dass nach dem fünften Lebensjahr ein durchschnittlicher Rückgang der körperlichen Gesamtaktivität um 4 % pro Lebensjahr zu verzeichnen ist, der hauptsächlich auf eine Zunahme der sitzenden Tätigkeit zurückzuführen ist.6 In Ländern mit hohem Einkommen erfüllen nur etwa 30 % der Jugendlichen die Richtlinien für körperliche Aktivität.7 Hat dieser Trend etwas mit dem Aufkommen internetfähiger mobiler Geräte zu tun?

In dieser Ausgabe von Acta Paediatrica veröffentlichen Raustorp et al. eine Studie, die auf einen negativen Zusammenhang zwischen einer hohen Nutzung von Smartphones und Tablets und körperlicher Aktivität hinweist.8 An der Studie nahmen 550 Schüler im Alter von 8 bis 14 Jahren teil, die an vier aufeinanderfolgenden Wochentagen im Jahr 2017 selbst angaben, wie viel Zeit sie mit Smartphones und Tablets verbracht hatten, während sie Beschleunigungsmesser trugen, um die Schritte pro Tag zu messen. Die Autoren fanden eine mäßig inverse Korrelation zwischen den durchschnittlichen Schritten pro Tag und den durchschnittlichen täglichen Minuten der Smartphone- und Tablet-Nutzung. Bei einer Stratifizierung nach Geschlecht und Alter war die Korrelation nur für Mädchen im Teenageralter signifikant. Allerdings ist die selbstberichtete Nutzungsdauer von Smartphones und Tablets keine sehr zuverlässige Methode, insbesondere nicht bei jüngeren Kindern, wie die Autoren ebenfalls einräumen. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Fehlen eines Zusammenhangs in den jüngeren Altersgruppen auf ungenaue Angaben zur Nutzungsdauer zurückzuführen ist. Beim Vergleich von Viel- und Wenignutzern dieser Geräte zeigte sich nur bei Mädchen im Teenageralter eine signifikant niedrigere Anzahl von Schritten bei Vielnutzern. Es ist daher verlockend, den Schluss zu ziehen, dass die Nutzung von Smartphones und Tablets zumindest bei Mädchen im Teenageralter zu einer Abnahme der körperlichen Aktivität führt. Allerdings kann in dieser Querschnittsstudie keine Kausalität festgestellt werden, und es könnte auch eine umgekehrte Kausalität vorliegen. Ähnliche Ergebnisse wurden jedoch von Kenney et al. aus den USA berichtet, die in einer Stichprobe von 25 000 US-High-School-Schülern die Querschnittsassoziationen zwischen Bildschirmzeit und dem Konsum zuckerhaltiger Getränke, Schlaf, körperlicher Aktivität und Fettleibigkeit (alle nach eigenen Angaben) untersuchten.3 Hier berichteten die Autoren über eine hohe Nutzung (≥5 Stunden pro Tag ohne Schularbeiten) von elektronischen Geräten außer dem Fernseher bei 20 % der Schüler. Die hohe Nutzung wurde mit unzureichender körperlicher Aktivität, einem hohen täglichen Konsum von zuckergesüßten Getränken, unzureichendem Schlaf und Fettleibigkeit in Verbindung gebracht. Auch hier konnten die Autoren die Möglichkeit einer umgekehrten Kausalität nicht ausschließen.

Es gibt einen noch hässlicheren Aspekt der Nutzung mobiler Geräte wie Smartphones, nämlich die Sucht. Noë et al. verwendeten die Smartphone-Sucht-Skala über einen Zeitraum von acht Wochen bei 64 Teilnehmern beiderlei Geschlechts im Alter zwischen 19 und 46 Jahren.9 Die Teilnehmer hatten eine Smartphone-Überwachungs-App namens Thymer auf ihren Telefonen installiert, die es den Forschern ermöglichte, die detaillierten körperlichen Interaktionen der Nutzer mit der Schnittstelle zu überwachen. Die Forscher fanden heraus, dass die Gesamtzeit am Smartphone allein kein starker Indikator für eine Smartphone-Sucht war, während ein hohes Maß an Interaktion mit Lifestyle- und sozialen Apps dies war, insbesondere bei Mädchen. Insbesondere die Nutzung der App Snapchat korrelierte positiv mit der Skala für die Smartphone-Sucht. Diese App weist eine Kombination von Designmerkmalen auf, die eine hochfrequente Nutzung fördern, wie z. B. Gamification. Es ist bekannt, dass Entwickler absichtlich Apps entwerfen, die zu einer längeren Nutzung anregen, z. B. durch „unendliches Scrollen“, bei dem es keine Anhaltspunkte zum Anhalten gibt, oder durch Apps, die durch Benachrichtigungen oder tägliche Belohnungen dazu verleiten, wiederzukommen.9 Apps werden also absichtlich so konstruiert, dass sie den Geist so lange wie möglich beschäftigen; oft stehlen sie uns aus kommerziellen Gründen einfach die Zeit! Dieses Phänomen wird als „Aufmerksamkeitsökonomie“ bezeichnet, die die Aufmerksamkeit eines potenziellen Konsumenten als Ressource behandelt.

Die Frage ist also, welche Art von Aktivitäten stehlen uns die Zeit? In einer Umfrage von Norton, einem Unternehmen für Sicherheitssoftware, aus dem Jahr 2018 wurde berichtet, dass Smartphones den Schlaf und die Outdoor-Aktivitäten von Kindern verringern,10 wo die körperliche Aktivität im Allgemeinen höher ist. Hier beantworteten 6000 Eltern aus 8 europäischen Ländern mit Kindern im Alter von 5-16 Jahren eine Online-Umfrage zu ihrer eigenen Nutzung von Smartphones und Tablets und der ihrer Kinder. Die schockierenden Ergebnisse zeigten, dass Kinder heute mehr Zeit mit diesen Bildschirmen verbringen als mit dem Spielen im Freien. Je älter das Kind ist, desto mehr Zeit wird ihm „gestohlen“. In Schweden betrug die durchschnittliche Zeit, die täglich an diesen Geräten verbracht wurde, 2 Stunden und 47 Minuten (der zweithöchste Wert nach dem Vereinigten Königreich), während das Spielen im Freien (an Wochenenden und Wochentagen) nur 1 Stunde und 56 Minuten betrug. Die Altersgruppe der 14- bis 16-Jährigen verbrachte 3 Stunden und 14 Minuten mit vernetzten Mobilgeräten, was in etwa den Zahlen entspricht, die Raustorp für die älteste Altersgruppe ermittelt hat.8 Man darf nicht vergessen, dass ein großer Teil dieser Zeit wahrscheinlich vom Fernsehen und anderen Aktivitäten in Innenräumen „gestohlen“ wurde. Nichtsdestotrotz macht die Smartphone-Nutzung heute den größten Teil der Bildschirmzeit bei Kindern aus, und viele von ihnen besitzen bereits ab dem Alter von 5 Jahren ein Gerät. Viele Eltern sahen in dieser Umfrage zwar einen positiven Einfluss der mobilen Bildschirmzeit auf die Problemlösungs- und Lernfähigkeiten der Kinder, aber ebenso viele waren auch besorgt über das Risiko, dass die Kinder zu wenig Schlaf bekommen, online gemobbt werden und ungeeignetem Material ausgesetzt sind. Viele Eltern äußerten auch Schuldgefühle über die Zeit, die sie selbst online verbrachten, und machten sich Sorgen, dass sie ihren Kindern ein schlechtes Beispiel geben könnten. Von allen in die Studie einbezogenen Ländern war der Anteil der Eltern, die über Einschränkungen zu Hause und in der Schule berichteten, in Schweden am geringsten. Ein weiteres interessantes Ergebnis war, dass Eltern aus allen europäischen Ländern berichteten, dass ihr Kind mehr von seinem Smartphone abhängig ist als von Zucker! Schließlich wurde in dem Bericht festgestellt, dass Eltern fachkundige Unterstützung und Ratschläge für die Einrichtung von Kontrollen und Nutzungsbeschränkungen sowie für den Schutz ihrer Kinder im Internet nachfragen.

Es ist an der Zeit, die Ratschläge der Europäischen Akademie für Pädiatrie aktiver an Eltern und Lehrer weiterzugeben und nicht zuletzt den Erwachsenen zu raten, gute Vorbilder zu sein. Außerdem sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die Zusammenhänge zwischen der Nutzung dieser Geräte, dem Schlaf, der körperlichen Aktivität und dem psychosozialen Wohlbefinden sowie familiäre Interventionen zur Förderung eines gesunden Verhaltens bei der Bildschirmnutzung zu bewerten. Wichtig ist auch, dass die App-Entwickler ihren Teil der Verantwortung übernehmen, indem sie Kinder und Erwachsene nicht zu übermäßigem Konsum von Waren und Unterhaltungsangeboten und zu einer regelrechten Smartphone-Sucht verleiten.