Schlafende Giganten: Warum Wale beim Nickerchen nicht ertrinken
Es muss ein leicht surrealer Anblick sein. Stellen Sie sich vor, Sie sind Taucher und treffen auf eine Gruppe von Pottwalen, die nicht schwimmen, sondern aufrecht und regungslos im offenen Meer treiben. Wenn Sie jemals eine solche Szene sehen, gratulieren wir Ihnen, dass Sie schlafende Wale gefunden haben. Es ist ein seltenes Ereignis, aber gelegentlich werden Bilder solcher Entdeckungen veröffentlicht.
Es gibt sogar Forscher, die sich mit diesem Thema bei verschiedenen Arten von Meeressäugern beschäftigen – sowohl in freier Wildbahn als auch in Gefangenschaft. Die Ergebnisse beider Ansätze geben einen Eindruck davon, wie der Schlaf in der Welt der Wale funktioniert.
Bereits im Jahr 2008 stieß ein Team von Wissenschaftlern aus Schottland und Japan buchstäblich auf eine Gruppe von Pottwalen, die senkrecht nahe der Wasseroberfläche trieben. Die Säugetiere waren so sehr in einen Zustand eingetaucht, den man „Strömungstauchen“ nennt, dass sie nicht einmal auf die Anwesenheit des vorbeifahrenden Bootes reagierten. Bei der Beobachtung der Wale stellten die Forscher an Bord fest, dass sie nur 7 % ihres Tages mit einem Nickerchen verbringen, und zwar jeweils 10 bis 15 Minuten lang.
Halbwach, aber schlafend
Solch bescheidenes Schlummern macht die Pottwale zur am wenigsten schlafbedürftigen Spezies auf dem Planeten und entthront die Giraffen, die etwa 8 % ihres Tages im Schlummer verbringen. Der Mensch wäre wahrscheinlich nicht in der Lage, so zu leben. Wenn wir schlafen, tun wir das mehrere Stunden am Stück. Der Grund dafür ist, dass wir unwillkürlich atmen, d. h. wir können uns darauf verlassen, dass wir automatisch atmen können.
Wale hingegen müssen über jeden Atemzug nachdenken, den sie machen. Wissenschaftler glauben, dass sie mit einem offenen Auge und einer wachen Gehirnhälfte schlafen, nicht nur, um ihre Atmung zu kontrollieren, sondern auch, um sicherzustellen, dass sie Raubtieren ausweichen, soziale Kontakte pflegen oder weiterschwimmen können. Das Phänomen wird als unihemisphärischer Slow-Wave-Schlaf bezeichnet und wurde auch bei in Gefangenschaft lebenden Walen beobachtet.
Unterschiedliche Arten, unterschiedliche Arten von Schlaf
Die Fähigkeit verschiedener Walarten, den Atem anzuhalten, variiert zwischen einigen Minuten und über einer Stunde. Auch ihre Schlafgewohnheiten sind nicht einheitlich.
Buckelwale zum Beispiel ruhen etwa 30 Minuten lang regungslos an der Wasseroberfläche. Sie können aber nicht lange so bleiben, weil sie zu viel Körpertemperatur verlieren, wenn sie inaktiv sind. Im Gegensatz dazu schlafen Delfine nachts mehrere Stunden am Stück. Messungen des Elektroenzephalogramms (EEG) bei Großen Tümmlern haben ergeben, dass die Säugetiere durchschnittlich 33,4 % ihres Tages schlafend verbringen.
Einen riesigen Buckel- oder Pottwal auf dieselbe Weise zu erforschen, ist ein unwahrscheinliches Szenario. Es würde bedeuten, dass man ein EEG-Gerät entwickeln müsste, das groß genug ist (und einen kooperativen Wal), um die elektrische Aktivität des Gehirns aufzuzeichnen. In der Zwischenzeit wird sich die Wissenschaft weiterhin auf Entdeckungen verlassen müssen, um besser zu verstehen, wie Wale schlafen.