Muskeln innerhalb von Muskeln: die neuromotorische Kontrolle intra-muskulärer Segmente
Ziel dieser Untersuchung war es, die einzelnen Segmente des menschlichen Deltamuskels anatomisch zu identifizieren und dann ihre Funktion zu bestimmen. Die anatomische Struktur des Deltamuskels wurde durch Präparation und/oder Beobachtung des Schultergürtels von 11 männlichen Leichen (im Alter von 65-84 Jahren) bestimmt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Deltamuskel aus sieben anatomischen Segmenten (D1-D7) besteht, die sich durch die besondere Anordnung der Ursprungs- und Ansatzpunkte der einzelnen Segmente unterscheiden. Die röntgenologische Analyse eines Leichenschultergelenks ergab, dass nur das postero-mediale Segment D7 eine unterhalb der Drehachse des Schultergelenks verlaufende Wirkungslinie aufweist. Die funktionelle Rolle jedes einzelnen Segments wurde dann mit Hilfe einer elektromyographischen (EMG) Technik bestimmt. Sieben bipolare Miniatur-Oberflächenelektroden (1 mm aktive Platte; 7 mm Abstand zwischen den Elektroden) wurden bei 18 männlichen und weiblichen Probanden (18-30 Jahre) über dem proximalen Teil des Muskelbauchs jedes Segments angebracht. Die EMG-Wellenformen wurden dann während der Erzeugung schneller isometrischer Schulterabduktions- und -adduktionskraftimpulse aufgezeichnet, wobei das Schultergelenk in der Ebene des Schulterblatts um 40 Grad abduziert wurde. Jeder Proband führte nach einer kurzen Eingewöhnungsphase nach dem Zufallsprinzip 15 isometrische Abduktions- und 15 Adduktionskraftimpulse aus. Alle Probanden erhielten eine visuelle Rückmeldung über die Dauer und Amplitude jedes isometrischen Kraftimpulses, der über eine visuelle Kraft-Zeit-Anzeige erzeugt wurde, die die Leistung der Probanden mit einer Kriterium-Kraft-Zeit-Kurve verglich. Die Bewegungszeit betrug 400 ms (Zeit bis zum Spitzenwert der isometrischen Kraft) bei einem Intensitätsniveau von 50 % der maximalen willentlichen Kontraktion. Zeit- und Intensitätsanalysen der EMG-Wellenformen sowie zeitliche Analysen der isometrischen Kraftimpulse zeigten die neuromotorischen Kontrollstrategien, die das ZNS zur Steuerung der Aktivität jedes Muskelsegments einsetzt. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die neuromotorischen Kontrollstrategien der einzelnen Segmente über die gesamte Breite des Muskels hinweg unterscheiden und dass die einzelnen Segmente des Deltamuskels entweder als „Antriebskraft“, „Synergist“, „Stabilisator“ oder „Antagonist“ identifiziert werden können; funktionelle Klassifizierungen, die normalerweise mit der Funktion des gesamten Muskels verbunden sind. Daraus wurde gefolgert, dass das ZNS die Aktivität von mindestens sechs diskreten Segmenten innerhalb des menschlichen Deltamuskels „feinabstimmen“ kann, um die Anforderungen der gestellten motorischen Aufgabe effizient zu erfüllen.