Forscher untersuchen Wolfsparasiten
Seit dem Jahr 2000 hat sich der Eurasische Grauwolf, Canis lupus lupus, in Deutschland ausgebreitet. Ines Lesniak, Doktorandin am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), und ihre Kollegen haben die Parasiten dieses Rückkehrers genauer unter die Lupe genommen, um festzustellen, ob sich Anzahl und Art der Parasiten mit einer wachsenden Wolfspopulation verändern. Dies war der Fall, denn die Anzahl der Parasitenarten pro Wolfsindividuum stieg mit zunehmender Wolfspopulation. Außerdem wiesen Jungtiere eine größere Vielfalt an Parasitenarten auf als ältere Tiere. Die gute Nachricht: Wolfsparasiten stellen keine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in der wissenschaftlichen Online-Zeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.
Im Rahmen einer Langzeitstudie zur Wolfsgesundheit in Deutschland wurden die inneren Organe von 53 Wolfskadavern eingehend untersucht. Sie stammten von Wölfen, die zwischen 2007 und 2014 bei Verkehrsunfällen verendet waren oder illegal getötet wurden.
„Während Bandwürmer mit bloßem Auge erkennbar sind, war die Identifizierung der einzelligen Sarcocystis-Parasiten eine echte Herausforderung, da sich die Arten dieser Gattung morphologisch nicht unterscheiden“, erklärt Lesniak.
Anhand ihres Entwicklungszyklus lassen sich die Endoparasiten in zwei Typen einteilen: Einige, wie etwa viele Bandwürmer, infizieren ihre Wirte direkt. Andere, wie z. B. Sarcocystis-Parasiten, leben zunächst in einem Zwischenwirt, nämlich dem Beutetier des Wolfes. Diese Parasiten werden über den Wolfskot wieder in die Umwelt abgegeben. Potenzielle Beutetiere des Wolfes ernähren sich von der mit den Parasiten kontaminierten Vegetation. Dadurch dringen die Parasiten in den Zwischenwirt ein und siedeln sich im Muskelfleisch an. Rehe, Rothirsche und Wildschweine sind solche Zwischenwirte in Mitteleuropa. Wenn diese von einem Wolf gefressen werden, infizieren die Parasiten den Wolf und vermehren sich in seinem Darm.
Mit Hilfe ausgefeilter molekulargenetischer Analysen identifizierten die Wissenschaftler 12 Sarcocystis-Arten in den Wolfskadavern. Außerdem fanden sie vier Bandwurmarten (Zestoden), acht Spulwurmarten (Nematoden) sowie eine Egelart (Trematoden). Um den Parasitenbefall auch bei den großen Beutetieren des Wolfes zu untersuchen, sammelte das Team innere Organe erlegter Beutetiere von Jagdgesellschaften.
In Deutschland ernähren sich Wölfe vor allem von Rehen, aber auch von Rothirschen und Wildschweinen. Kleinsäuger wie Hasen, Wühlmäuse oder Mäuse stehen nur sehr selten auf dem Speiseplan. Die gefundenen Parasiten belegen diese Erkenntnis indirekt, da nur bei einem der 53 Wölfe Fuchsbandwürmer gefunden wurden. Fuchsbandwürmer werden von Mäusen übertragen und können bei allen Caniden vorkommen, besonders häufig aber bei Füchsen. Das ist eine gute Nachricht, sagt Lesniak, denn die Larven des Fuchsbandwurms können beim Menschen schwere Krankheiten verursachen.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass der Befall der Wölfe mit Parasiten im Laufe ihres Lebens variiert. „Jungtiere tragen viel mehr Parasitenarten in sich als Jährlinge oder Erwachsene.“ Laut Ines Lesniak lassen sich solche Unterschiede im Vorkommen von Parasitenarten durch das robustere Immunsystem älterer Wölfe erklären. Wölfe werden wie alle anderen wildlebenden Caniden – mit Ausnahme von Haushunden – nie entwurmt.
Wölfe, die zu Beginn des Untersuchungszeitraums starben, wiesen eine geringere Parasitenvielfalt auf als solche, die später starben. „Je größer die Population, desto häufiger sind die Wölfe untereinander und mit ihrer Beute in Kontakt, und desto häufiger haben sie sich mit verschiedenen Parasiten infiziert“, sagt Lesniak.
In Deutschland sind derzeit 46 Wolfsrudel angesiedelt. Ein Rudel besteht aus den Elterntieren sowie den Jungtieren des aktuellen und des vergangenen Jahres und kann bis zu zehn Individuen umfassen. „Genetische Analysen, die unsere Kooperationspartner für diese Studie durchgeführt haben, zeigen, dass die Vorfahren der mitteleuropäischen Tieflandpopulation, die sich heute von Deutschland bis Polen erstreckt, aus der Lausitz im Osten Deutschlands stammen“, sagt Lesniak. Diese Population wurde wahrscheinlich von Menschen initiiert, die zu Beginn des Jahrtausends aus dem Baltikum einwanderten und sich zwischen Südbrandenburg und Nordsachsen niederließen. Von dort aus breiteten sie sich über den Nordosten Deutschlands und den Südwesten Polens aus, ein Prozess, der bis heute anhält.
„Wölfe sind scheue, wilde Tiere. Daher ist der Kontakt zwischen Menschen und Wölfen selten“, betont Lesniak. „Dennoch sollten Jäger die Reste von erlegtem Wild gründlich abkochen, bevor sie diese an ihre Jagdhunde verfüttern, um mögliche Parasiteninfektionen zu vermeiden“, warnt Lesniak. Auch eine regelmäßige Entwurmung der Jagdhunde ist in von Wölfen besiedelten Regionen unerlässlich.
Gelegentlich wird berichtet, dass sich Wölfe Wohngebieten nähern; Schafhalter klagen über Verluste. „Es kann gut sein, dass die heutigen Wölfe gelernt haben, dass es einfacher ist, in der Nähe der Menschen Nahrung zu finden – derjenigen, die ihre Wolfsvorfahren einst ausgerottet haben“, sagt Lesniak. Natürlich ist es für einen Wolf bequemer, in ein Schafgehege einzubrechen, als im Wald Rehe zu jagen. Deshalb ist die Durchführung von entsprechenden Schutzmaßnahmen für Haustiere sehr wichtig und wird in Deutschland inzwischen auch von der Regierung finanziell unterstützt.
Weitere Informationen: Ines Lesniak et al. Population expansion and individual age affect endoparasite richness and diversity in a recolonising large carnivore population, Scientific Reports (2017). DOI: 10.1038/srep41730
Zeitschrifteninformationen: Scientific Reports
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